Investoren bevorzugen immer öfter Unternehmen, die Nachhaltigkeit im Kerngeschäft verankern – ,,Wer nicht kommuniziert, verschenkt Bewertungspotenzial‘‘
Nachhaltige Geschäftsmodelle und wirtschaftlicher Erfolg bilden keineGegensätze. Wenn nachhaltiges Management in das unternehmerische Kerngeschäft integriert ist, wird Nachhaltigkeit ein Treiber zur finanziellen Outperformance, sagt Ren Schmidpeter von der Cologne Business School. Der Leiter des dortigen Center for Advanced Sustainable Management (CASM) verweist auf zahlreiche Studien u. a. von der Harvard und Oxford University, die dies unstrittig empirisch belegten. Eine Studie der Harvard Business School zeigt zudem, dass erfolgreiche, nachhaltig wirtschaftende Unternehmen, die dies nicht stark genug nach außen kommunizierten, an der Börse unterbewertet werden. Mit anderen Worten: CEOs und CFOs, die die erfolgreiche Nachhaltigkeitsperformance des Unternehmens nicht offensiv als Asset verkaufen, schaden ihren Aktionären und ihrem Unternehmen. Der Autor der Studie, George Serafeim, belegt mit einem Datenpool von 1 900 Unternehmen über einen Zeitraum von neun Jahren einen Zusammenhang zwischen der ǫ̈ffentlichen Meinung über die ESG-Performance (Environmental, Social, Governance) eines Unternehmens und seiner Bewertung am Kapitalmarkt. 2018 waren der Studie zufolge bereits 80 Bill. Dollar verwaltetes Vermögen an ESG-Kriterien geknüpft.
Das Investoreninteresse an Unternehmen mit nachhaltigem Track Record steigt stetig an, wie Georg Kell Vorsitzender des auf Nachhaltigkeit spezialisierten englisch-deutschen Vermögensverwalters Arabesque Partners, bestätigt. Der Gründungsdirektor des United Nations Global Compact, der weltgrǫ̈ßten freiwilligen Nachhaltigkeitsinitiative von Unternehmen, sagt, dass sich Nachhaltigkeit zum größten Trend der Finanzgeschichte der letzten Jahrzehnte entwickelt habe. Die Herausforderung für Investoren: Es gibt noch nicht viele Unternehmen, die konsequent auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell setzen bzw. Dabei sind, Nachhaltigkeit ins Kerngeschäft zu implementieren. Unterbewertete, nachhaltig Unternehmen zu identifizieren, ist komplex und erfordert neue Analysemodelle.
Mit herkömmlichen Geschäftsmodellen könne man natürlich ebenfalls Gewinne erzielen, jedoch zu einem höheren Risiko und dafür eigentlich zu geringer Rendite, sagt Schmidpeter. Im November hat er Europas größte CSR-Konferenz unter dem Motto ,,Responsible Leadership in Times of Transformation‘‘ in Köln organisiert, an der unter den 500 Teilnehmern auch zahlreiche Investoren zugegen waren. Big Data und künstliche Intelligenz helfen Analysten und Investoren, diese Zusammenhänge besser zu erkennen. Die steigende Nachfrage bei Investoren nach Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen sei die logische Folge.
Erwartungen übertroffen
Eine Folge, die Georg Kell von Arabesque Partners hautnah zu spüren bekommt. Die Nachfrage der Finanzindustrie nach der eigenen Datenanalyseplattform habe alle Erwartungen ˇbertroffen. Man habe bereits im ersten Jahr langfristige Partnerschaften mit großen Banken wie Citibank, J.P. Morgan, Bank of America und auch Staatsfonds aus Japan und Schweden abgeschlossen. Mit Hilfe von Big Data und künstlicher Intelligenz durchleuchten die Arabesque-Algorithmen mittlerweile rund 7 000 der grǫ̈ßten Unternehmen in 70 Ländern systematisch nach Nachhaltigkeitskriterien anhand von ESG-Daten. Dabei verarbeiten sie nach eigenen Angaben mehr als 100 Milliarden Datenpunkte. So würden beispielsweise täglich mehr als 30 000 Zeitungsartikel in 15 verschiedenen Sprachen ausgewertet.
Für Kell, der ebenso für die Initiativen der Principles for Responsible Investment, der Sustainable Stock Exchange und der Principles for Responsible Management unter dem Dach der UN verantwortlich war, steht fest: ,,Technologie wird die Finanzbranche im nächsten Jahrzehnt nachhaltig verändern. Investoren, die sich auf traditionelle Analysemodelle fokussieren, werden dauerhaft keine Chance am Markt haben.‘‘
Bleibt die Frage zu klären, warum das Thema Nachhaltigkeit bei vielen Unternehmen noch immer eher stiefmütterlich behandelt wird und nicht mit dem Kerngeschäft verknüpft ist? Kell sieht hierfür mehrere Gründe. Zum einen übten Teile der Finanzwelt nach wie vor Druck aus, um kurzfristig Gewinne zu erzielen, wenngleich sie dadurch mittel- und langfristig Chancen verpassten. Zum anderen gebe es echte Barrieren auf der Unternehmensebene. Viele Aufsichtsräte etwa seien mit den Themen der Nachhaltigkeit nicht vertraut und agierten nach wie vor unter der Voraussetzung des klassischen Industriezeitalters.
Neuer Managementansatz
Diese Unternehmen denken die Gegenwart aus der Vergangenheit, sagt Schmidpeter, der für einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft kämpft. Seine Vision: ein integratives, wirkungsorientiertes Nachhaltigkeitsdenken mit neuem Managementansatz. Dafür schmiedet er Allianzen zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Finanzindustrie und Realwirtschaft. Dass Investoren jetzt zunehmend auf Nachhaltigkeitskonferenzen in Europa, Nordamerika und Asien präsent sind und Unternehmen Druck vom Kapitalmarkt bekommen, ihre Nachhaltigkeits Performance zu verbessern, freut ihn. Jüngste Initiativen wie die Coalition for Inclusive Capitalism und das Global Investor Statement von 414 institutionellen Investoren, mehr zu tun, um die in Paris verabschiedeten UN-Klimaziele zu erreichen, seien ermutigende Schritte.
Der ,,Vater‘‘ der Stakeholder-Theorie, Edward Freeman, Professor für Business Ethics an der Darden School der University of Virginia, glaubt, dass es eine Managergeneration dauern könnte, bis Unternehmen ihr Kerngeschäft vǫ̈llig nachhaltig betreiben und es nicht mehr um reine Profitmaximierung gehe. Derzeit arbeitet er an einem neuen Buch mit dem Titel ,,Business – the new story‘‘, in dem er seine Analysen zusammenfügt und erklärt, wieso Leadership und Ethik aus seiner Sicht zwingend zusammengehǫ̈ren. Er wüsche sich, dass seine Enkelkinder die Wirtschaft einmal mit anderen Augen sähen: ,,Sie sollen Business als Chance sehen, die Welt zu verändern‘‘, sagt Freeman im Gespräch am Rande der Nachhaltigkeitskonferenz in Köln. Freeman arbeitet eng mit Conscious Capitalism zusammen, die nach seinen Angaben mittlerweile 1 Bill. Dollar in ausgewählte nachhaltige Unternehmen investierten.
Kell blickt ebenfalls optimistisch nach vorn: Der technologische Wandel und die zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeit seien irreversibel. Beide Megatrends rüttelten am Gerüst des Industriezeitalters. Sich dem zu widersetzen bedeute den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Es ist Zeit, die gegenwärtigen Geschäftsmodelle von der Zukunft zu denken!